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Boleslas Dobrzanski senior, Männerchor «Rhein», 1875  

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Die Photographendynastie der Dobrzanskis

Die Photographendynastie der Dobrzanskis umfasst folgende Personen:
– Boleslas Dobrzanski senior (geboren 1843)
– Boleslas Dobrzanski junior (1874-1932), Sohn von Boleslas senior
– Stanislaw Dobrzanski (geboren 1879) Sohn von Boleslas senior
– Maria Dobrzanski-Stark (1889-1959), Frau von Boleslas junior
– Edmondo Dobrzanski (1914-1997), Sohn von Stanislaw
– Theodor Dobrzanski (geboren 1925), Sohn von Boleslas junior

Mindestens zwei Dobrzanskis waren längere Zeit in Diessenhofen tätig: Boleslas Dobrzanski senior von 1875 bis spätestens 1918 sowie Stanislaw Dobrzanski von 1929 bis 1934.

Gemäss [6] wanderte die Familie noch vor der Jahrhundertwende nach Kremenez in Russland (heute Ukraine) aus. Diese «Auswanderung» war wohl eher von kurzer Dauer und betraf möglicherweise nicht die ganze Familie.

Die Eltern waren spätestens Ende 1899 wieder in der Schweiz zurück, während die Söhne in Moskau bei Andrejewicz Karl Fischer (1859-1923) den Beruf des Photographen erlernten.

Die Söhne waren unter anderem in Zug tätig: Stanislaw Dobrzanski von 1907 bis 1922, Boleslas Dobrzanski junior von 1922 bis zu seinem Tod 1932 und dessen Frau Maria Dobrzanski-Stark von 1922 bis 1944. Die Tätigkeit der Dobrzanskis in Zug ist in «Der Kanton Zug und seine Fotografen 1850-2000» [6] dokumentiert.

Verschiedene Dokumente zeigen, dass Boleslas Dobrzanski junior 1907 aus Moskau zurückkehrte und dann bis 1922 in Einsiedeln arbeitete.

Stanislaw Dobrzanski war von 1922 bis 1929 (und wohl auch wieder nach 1934) in Lugano tätig.

Weitere Erkenntnisse könnten sicher noch gewonnen werden, wenn weitere Quellen durchforstet würden. Insbesondere sind dies Adressbücher, Pfarrarchive und der «Anzeiger am Rhein», der von 1847 bis 2003 erschien. Lebende Nachfahren der Dobrzanskis konnten bisher leider keine gefunden werden. Insbesondere folgende Fragen sind noch ungeklärt:
– Wann genau und warum reiste die Familie nach Kremenez in Russland?
– Wann und wo starb Boleslas senior? 1918 in Diessenhofen? (Verkauf des Hauses)
– Wann und wo starb Stanislaw?

Bemerkung zur Aussprache «Dobrzanski»: «rz» wird im Polnischen ähnlich dem deutschen «sch» ausgesprochen, man sagt also «Dobschanski» (ohne «r»).

Bemerkung zur Auflösung und Schreibung der Vornamen «B.» und «St.»:
In zeitgenössischen photographischen Dokumenten und Signaturen werden die Vornamen immer abgekürzt, «B.» beim Vater und ältesten Sohn und «St.» beim jüngeren Sohn. In [6] werden die Abkürzungen mit «Borislav» und «Stanislav» aufgelöst, in [10] wird die Grundbucheintragung des Vaters von 1878 mit «Boreslaw Dobrezanski» angegeben. Wesentlich authentischer sind hier ein Brief eines Unbekannten aus Kremenez an den Vater vom 25.12.1897 und eine Postkarte vom Vater an den ältesten Sohn vom 24.8.1915: Beide lauten auf «Boleslas», was eine Nebenform des polnischen Vornamens «Boleslaw» ist und nichts mit «Borislav» zu tun hat. Analog dazu sollte dann auch für «Stanislav» bzw. «Stanislaus» die polnische Schreibung «Stanislaw» verwendet werden. Somit ergeben sich folgende hier verwendeten Schreibungen:
Vater: Boleslas Dobrzanski senior
ältester Sohn: Boleslas Dobrzanski junior
jüngerer Sohn: Stanislaw Dobrzanski


Boleslas Dobrzanski senior (geboren 1843)

Boleslas Dobrzanski kam nach dem niedergeschlagenen polnischen Aufstand gegen das russische Zarenreich von 1863-1864 als Emigrant in die Schweiz. Zunächst arbeitete er 9 Jahre lang als Fotograf in Fribourg, Luzern und Winterthur. Am 26. Juli 1873 beantragte er seine Einbürgerung beim Gemeinderat von Fischenthal im Kanton Zürich, wo er auch eine Fischenthaler Bürgerin heiratete. Der Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich wurde durch den Staatsschreiber Gottfried Keller ausgefertigt. (Quellen: [4] und [6])

M. Benon und K. Wysocki (Lebensdaten unbekannt) betrieben in Winterthur an der Gärtnervorstadt 56 das Photogeschäft «M. Benon & Wysocki». Das Geschäft hatte ab 1867 in Diessenhofen eine Filiale im Haus «zur Höll», die von K. Wysocki geleitet wurde.

Dafür, dass Boleslas Dobrzanski senior ab 1875 für Benon & Wysocki arbeitete, gibt es zahlreiche starke Indizien:

  • Wysocki war wahrscheinlich auch ein polnischer Emigrant wie Dobrzanski
  • Die frühesten Bildbelege der beiden passen in die Zeit um 1875 und danach
  • Die Atelierböden von M. Benon & Wysocki und B. Dobrzanski (mit Personen aus Diessenhofen) sind identisch, K. Wysocki hat hingegen einen anderen (siehe Vergleichsbilder)

  • Die allegorische Darstellung auf der Rückseite der Cartes de visite ist bei
    B. Dobrzanski und K. Wysocki identisch
  • Die Stadtansicht von Diessenhofen von M. Benon & Wysocki ist vom gleichen Negativ abgezogen wie diejenige auf B. Dobzanskis Photomontage von 1875

Gemäss [10] kaufte Dobrzanski 1878 das Haus «zur Höll» und übernahm irgendwann die Filiale von Benon und Wysocki in Diessenhofen, während Wysocki das Geschäft in Winterthur ohne Benon weiterführte. Wann genau der Name des Geschäftes in Diessenhofen von «M. Benon & Wysocki» in «K. Wysocki» und schliesslich in «B. Dobrzanski» geändert wurde, konnte bisher nicht sicher geklärt werden (sicher vor 1884).

Gemäss [6] wanderte die Familie noch vor der Jahrhundertwende nach Kremenez in Russland (heute Ukraine) aus. Diese «Auswanderung» war wohl eher von kurzer Dauer und betraf möglicherweise nicht die ganze Familie. Die Eltern waren spätestens Ende 1899 wieder in der Schweiz zurück, während die Söhne in Moskau bei Karl Fischer (1859-1923) [12] den Photographenberuf erlernten. Immerhin gibt es einige Dokumente für diesen Zeitraum:

  • Briefumschlag eines unbekannten Absenders aus Kremenez an Boleslas Dobrzanski in Diessenhofen, der um die Jahreswende 1897/1898 unterwegs war. Vielleicht schrieb jemand aus Kremenez dem Vater betreffend seiner Reise nach Kremenez.
  • Inserat in den Schaffhauser Nachrichten vom 5. Dezember 1899. Darin wird mitgeteilt, dass B. Dobrzanski die Wirtschaft zum Casino pachtweise übernommen habe. Aufschlussreich ist der Satz «Das photographische Atelier in meinem Hause beim Rathausplatz wird in bisheriger Weise fortgeführt». Dies deutet einerseits auf eine Kontinutät der Geschäftstätigkeit in den davorliegenden Jahren hin – die «Auswanderung» nach Kremenez war wohl eher von kurzer Dauer und betraf möglicherweise nicht die ganze Familie. Andererseits tönt der Satz nicht gerade optimistisch. War die Übernahme der Wirtschaft ein wirtschaftlich notwendiges «zweites Bein» zum Photogeschäft?
  • Weiteres Inserat zur Casino-Wirtschaft in den Schaffhauser Nachrichten vom 14. Juni 1900. Hier taucht einmalig der Name «B. Dobrzanski-Schönenberger» auf. War die Bürgerin aus Fischental, die Dobrzanski senior 1873 geheiratet hatte und deren Namen bisher nicht bekannt ist, eine geborene Schönenberger? War es eine zweite Ehe des Seniors? Boleslas Dobrzanski junior (damals 26) kommt eher nicht in Frage, denn seine Frau hiess Stark und war damals erst 11 Jahre alt.
  • Mehrere Bildbelege zeigen, dass das Geschäft «B. Dobrzanski» im Haus «zur Höll» mit Sicherheit zwischen 1902 und 1909 weiter aktiv war. Da Boleslas Dobrzanski junior (1874-1932) im Jahre 1906 noch in Moskau war, kann es sich nur um den Vater Boleslas Dobrzanski senior handeln.

Gemäss [10] verkauften die Dobrzanskis das Haus «zur Höll» im Jahre 1918. Das Sterbejahr von Boleslas Dobrzanski senior ist bisher nicht bekannt – der Verkauf des Hauses wäre ein möglicher Hinweis.

Ein Bildbeleg von Dobrzanski zeigt den gleichen Hintergrund, der später auf zahlreichen Aufnahmen von Jules Grögli vorkommt (siehe Vergleichsbilder). Dies lässt vermuten, dass Grögli das Photogeschäft im Haus «zur Höll» spätestens 1918 übernahm. Ausserdem wurde eine Aufnahme von Dobrzanski in den 20er Jahren von Grögli erneut abgezogen, er war also im Besitz des Negativs.

>>> Mehr zum Haus «zur Höll»


Dobrzanski
 


Grögli
 

Boleslas Dobrzanski 1875 in Diessenhofen (Ausschnitt)

Die ganze Photomontage von Boleslas Dobrzanski: Männerchor «Rhein», Diessenhofen, 1875. Photomontage 88 x 67 cm, Goldbronze auf schwarzem Grund, 60 ovale Albumin-Porträts 6 x 4 cm, Albumin-Stadtansicht von Diessenhofen 10 x 13 cm. (Photobibliothek.ch 9409)
>>> Grössere Darstellung

Die Stadtansicht zeigt Diessenhofen vom oberen Amtshaus bis zum Unterhof. Links von der Rheinbrücke steht noch die «Alte Krone», die 1903 dem Zollgebäude weichen musste, auf deutscher Seite die Trotte «Im Flötzer» mit Obstgarten und Weinberg. Die Stadtansicht ist identisch mit derjenigen von M. Benon & Wysocki.
>>> Grössere Darstellung

Boleslas Dobrzanski 1893 in Diessenhofen (Ausschnitt)

Kopie einer ähnlichen Photomontage von 1893 wie diejenige von 1875: Männerchor «Rhein», Diessenhofen, 1893, 37,5 x 26,5 cm. Solche Kopien der Original-Photomontage wurden an die einzelnen Chormitglieder verkauft.
(Privatsammlung, Diessenhofen)
>>> Grössere Darstellung

Hauptstrasse, Carte de visite, datiert 1884, spätestens ab 1884 wurde das Photogeschäft also mit Sicherheit unter dem Namen «B. Dobrzanski» geführt
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Gleiche Aufnahme wie oben, aber 18,5 x 24,4 cm gross, 1884 oder davor
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

  

Herr Studer u[nd] Frau, Carte de visite, 1884 oder davor
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

  

Unbekannte Frau mit Sohn und Tochter, Carte de visite, 1884 oder davor
(Sammlung Stephan Keller, Zürich [9])

  

  

Lisette Stephan-Siegerist (1821-1897) [?] und Gustav Ludwig Stephan (1815-1889), Carte de visite, vor 1889. Während die Identität von Gustav Ludwig Stephan gesichert ist (siehe nächstes Bild), konnte diejenige von Lisette Stephan-Siegerist nicht vollständig geklärt werden. Beide Aufnahmen stammen zwar aus der gleichen Sammlung, wahrscheinlich sogar aus dem gleichen Konvolut, aber die Rückseiten sind doch geringfügig abweichend, was darauf schliessen lässt, dass die Aufnahmen mindestens an unterschiedlichen Sitzungen aufgenommen wurden.
(Sammlung Osric Boland, Neuhausen [5])

Gustav Ludwig Stephan, genannt Louis Stephan, 30.11.1815 – 8.3.1889. Stephan heiratete 1848 die Lisette, geb. Siegerist (1821 – 24.1.1897), die in erster Ehe mit dem Metzger Johann Christoph Forrer verheiratet war. Aus dieser Ehe stammte deren Sohn Carl Forrer (20.9.1843 – 24.3.1927), den Stephan adoptierte und der später das Geschäft übernehmen sollte. Stephan gründete am 1. Oktober 1847 im Haus «zum wilden Mann» (heute Hauptstrasse 1) eine Buchdruckerei und brachte zeitgleich die Lokalzeitung «Anzeiger am Rhein» heraus. Ab 1851 war die Buchdruckerei im Haus «zum Sternen» an der Kirchgasse, dann in einer weiteren Liegenschaft an der Kirchgasse (beide Adressen unbekannt) und schliesslich viele Jahre im Haus «zum Schneggen» (Kirchgasse 23). 1921 zog die Buchdruckerei in die Villa Rosenheim (Bahnhofstrasse 30), wo sie sich bis 2011 befand, zuletzt unter der Leitung von Werner Sigrist (geb. 1942). Der «Anzeiger am Rhein» musste sein Erscheinen aus wirtschaftlichen Gründen Ende 2003 einstellen. Die Photographie hing seit 1921 immer im Büro der Buchdruckerei in der Villa Rosenheim. Albuminabzug auf Karton unter Glas, 33 x 28 cm, vor 1889.
(Privatbesitz Familie Sigrist, Thun)

  

Mann, Frau und Sohn, Carte de visite, um 1885
(Photobibliothek.ch 15739)

  

Kleinkind auf einem Stuhl sitzend, Carte de visite, um 1890
(Photobibliothek.ch 15740)

   

Doppelporträt eines unbekannten Ehepaars (?), Carte de visite, um 1890
(Sammlung Stephan Keller, Zürich [9])

  

Ehepaar Windler mit Photoalbum, Carte de visite, um 1890
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Grossvater u[nd] Grossmutter Graf, Carte de cabinet mit neuem Namenszug auf der Vorderseite. Der Mann trägt eine Uniform der Nordostbahn; die Seelinie der N.O.B. und der Bahnhof Diessenhofen wurden 1894 in Betrieb genommen; die Aufnahme entstand also frühestens 1894, möglicherweise erst um 1900.
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

  

Unbekannter junger Mann, Carte de visite mit neuem Namenszug auf der Vorderseite, um 1900 [?]
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

  

Hedwig [?], Carte de visite mit neuem Namenszug auf der Vorderseite, um 1900 [?]
(Sammlung Stephan Keller, Zürich [9])

  

Etwa einjähriger Knabe mit Hund im Sommer 1902
(Privatsammlung, Diessenhofen)

Diessenhofen von Gailingen aus gesehen, Albumin-Abzug 17,7 x 23,0 cm, rückseitig ovaler Stempel «B. Dobrzanski, Photograph, Diessenhofen». Da der Vorgängerbau des Zollgebäudes bei der Rheinbrücke (Abbruch 1902) noch steht und schon die Kamine der Ziegelei (Betriebsaufnahme 1898) zu erkennen sind, muss die Aufnahme zwischen 1898 und 1902 entstanden sein.
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Wirtschaft Lamm und Metzgerei Gnädinger, 17,4 x 22,8 cm, rückseitig datiert «Ostern 1907». Vorne: Johann Sebastian Gnädinger (1872-1942) mit zwei Gehilfen; hinten: Frau Gnädinger mit Bediensteten, ihre beiden Kinder Julia und Berta wurden 1904 und 1906 geboren. (Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Familie Brändle, vorne rechts Otto Brändle, von Beruf Wagner,  12,1 x 16,8 cm (Abzug), um 1909. (Privatbesitz, Diessenhofen)

Briefumschlag eines unbekannten Absenders in Kremenez an Boleslas Dobrzanski in Diessenhofen. Postabgang in Kremenez 25.12.1897, Ankunftsstempel Diessenhofen 9.1.1898. (Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Inserat in den Schaffhauser Nachrichten vom 5. Dezember 1899
(Archiv Schaffhauser Nachrichten)

Inserat in den Schaffhauser Nachrichten vom 14. Juni 1900
(Archiv Schaffhauser Nachrichten)


Boleslas Dobrzanski junior (1874-1932)

Boleslas Dobrzanski junior und sein Bruder Stanislaw erlernten den Beruf des Photgraphen in Moskau. Dazu sind an einer Philatelie-Auktion in USA zwei interessante Briefumschläge von 1906 aufgetaucht, die jedoch nicht ersteigert werden konnten. Diese sind an ein «Atelier Photographie & Typographie de Mr. Fischer» in Moskau «pour Mr. B. Dobrzanski» adressiert.

Andrejewicz Karl Fischer (1859 bis nach 1923) betrieb ab 1878 in Oranienburg ein Photoatelier. Im Jahre 1889 übernahm er in Moskau die lithographische Anstalt von Ivan Diagowczenko, und 1894 war Fischer Mitbegründer der Russischen Photographischen Gesellschaft. Neben seiner Tätigkeit als Photograph stellte er Autotypien, Zinkographien und Photolithographien her. Er spezialisierte sich auf Alben mit Reproduktionen von Kunstwerken, war aber auch als Hofphotograph des zaristischen Theaters tätig. Nach dem Tod von Leo Tolstoi (1910) erstellte er eine photographische Dokumentation des Schriftstellers. (Quelle: [12])

Boleslas Dobrzanski junior arbeitete 1906 also noch in Moskau. Da der zweiten Briefe in Diessenhofen abgestempelt wurde, dürfte es sich beim Absender mit grosser Wahrscheinlichkeit um den Vater handeln.

Verschiedene Dokumente zeigen, dass Boleslas Dobrzanski junior ab 1907 wieder in der Schweiz war. Eine Postkarte vom August 1907 beweist, dass er – mindestens für eine gewisse Zeit – für Photographie Lienhardt in Einsiedeln arbeitete. Spätestens ab 1910 deutet der Bildnachweis «B. Dobrzanski, Photograph, Einsiedeln» (etwa in der «Schweizerfamilie») eher auf ein eigenständiges Geschäft in Einsiedeln hin. Dafür spricht auch, dass in der Publikation «Album Maria Einsiedeln» von 1910 Photographien unter seinem Namen publiziert wurden. Ein weiterer Hinweis auf ein eigenes Geschäft in Einsiedeln ist dann eine Postkarte vom Vater Dobrzanski in Diessenhofen mit der Bestellung von 4 Dutzend Agfa-Trockenplatten bei seinem Sohn in Einsiedeln vom 24. August 1915, der sehr geschäftsmässig abgefasst ist.

1922 übernahm er das Atelier seines Bruders an der Schmidgasse in Zug. Bis zu seinem Tod (1932) betrieb er dann das Photogeschäft zusammen mit seiner Frau, Maria Dobrzanski-Stark (1889-1959). Seine Frau führte das Geschäft mit dem Retuscheur Lüthi noch bis 1944 weiter. Danach wurde es an die Herren Senn (Optik) und Huwyler (Photographie) verpachtet. (Quellen: [4] und [6])

Der Sohn Theodor Dobrzanski (geboren 1925) erhielt eine Lehrerausbildung, wollte aber trotzdem den Photographenberuf ausüben. Er kaufte in Zug ein Haus unmittelbar neben demjenigen seiner Mutter. Nach deren Tod (1959) geriet er mit seiner in die USA emigrierten Schwester in einen Erbstreit. Das Haus wurde schliesslich versteigert. (Quellen: [4] und [6])

Briefumschlag von H. Müller & Cie., Technisches Bureau, Zürich, an Atelier Photographie & Phototypie de Mr. Fischer, Kuznezki Most, à Moscou, pour Mr. B. Dobrzanski vom 19. VI. 1906 (abgestempelt in Zürich-Selnau).
(Bildrechteinhaber unbekannt)

Briefumschlag ohne Absender an Atelier Photographie & Phototypie de Mr. Fischer, Kuznezki Most, à Moscou, pour Mr. B. Dobrzanski vom 29.VII. 1906
(abgestempelt in Diessenhofen).
(Bildrechteinhaber unbekannt)

Postkarte an Boleslas Dobrzansi junior, Einsiedeln, pr. Adr. Photographie Lienhardt, in Diessenhofen abgestempelt am 21. August 1907
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Diese Aufnahme, die 1910 in der Zeitschrift «Schweizerfamilie» erschien, zeigt das Haus der Dobrzanskis in Diessenhofen mit dem Photoatelier von Osten. Der Bildnachweis «B. Dobrzanski, Photograph, Einsiedeln» deutet auf ein eigenständiges Geschäft von Boleslas Dobrzanki junior in Einsiedeln hin.
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Postkarte vom Vater Dobrzanski in Diessenhofen mit der Bestellung von 4 Dutzend Agfa-Trockenplatten bei seinem Sohn in Einsiedeln vom 24. August 1915
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

 

Oswald, Bruder u[nd] Grossvater, Carte de visite, um 1925
(Sammlung Stephan Keller, Zürich [9])


Stanislaw Dobrzanski (geboren 1879)

Gemäss Geburtenregister der Stadt Diessenhofen wurde Stanislaw Dobrzanski 1879 in Diessenhofen geboren, ebenso wie seine Schwester Margareta Elise zwei Jahre davor (15.7.1877).

Stanislaw Dobrzanski erlernte mit seinem Bruder Boleslas junior den Beruf des Photographen in Moskau bei Andrejewicz Karl Fischer (siehe weiter oben). Dieser war Hofphotograph am zaristischen Theater, und in diesem Zusammenhang soll Stanislaw sogar ein Porträt von Rasputin aufgenommen haben. Nach der Jahrhundertwende kam er wieder in die Schweiz zurück, wo er zunächst in verschiedenen Schweizer Städten als angestellter Photograph tätig war.

Der Zuger Photograph Eduard Weiss stellte ihn vermutlich um 1907 ein, und Stanislaw übernahm später dessen Geschäft an der Schmiedgasse 15. 1922 übergab er das Zuger Atelier seinem Bruder Boleslas junior und etablierte sich mit seiner Familie in Lugano. 1929 zog er nach Diessenhofen. Von 1929 bis 1934 leitete er zwei Photogeschäfte, das erste in Diessenhofen und das zweite in Stein am Rhein. (Quellen: [4] und [6])

Nachdem die Dobrzanskis das Haus «zur Höll» 1918 verkauft hatten und ab 1929 der deutsche Photograph Max Seidel dort sein Photoatelier hatte, muss Stanislaw Dobrzanski sein Geschäft in Diessenhofen an einem anderen Ort gehabt haben. Möglicherweise hatte er sein Atelier an der Hauptstrasse (heute Basadingerstrasse 1). Der Schriftzug «PHOTO-ATELIER» ist noch heute über dem Blumengeschäft erkennbar, das sich heute darin befindet.

>>> Mehr zum «Photo-Atelier» an der Hauptstrasse

Wie die ersten beiden Bildbelege zeigen, hatte Stanislaw Dobrzanski das Photogeschäft von Eduard Weiss zusammen mit einem Kompagnon namens Braiter als «Ed. Weiss Nachfolger» bzw. als «Braiter & Dobrzanski» übernommen. Die Bildbelege weiter unten stammen dann aus der Zeit in Diessenhofen von 1929 bis 1934.

Ed. Weiss Nachfolger [= Braiter & Stanislaw Dobrzanski]: Erinnerung an die Grenzbesetzung. Schwur und Abmarsch des Bataillons 48 am 5. August 1914 – Postplatz Zug. Gelatine-Silber-Print 17,3 x 23,3 cm.
(Photobibliothek.ch 1186)

Unbekannter Jüngling, um 1915
(Sammlung Stephan Keller, Zürich [9])

Personal eines unbekannten Gasthofes in Diessenhofen, Gelatine-Silber-Print, 11,6 x 16,9 cm, um 1929. Seltene handschriftlich signierte Aufnahme.
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Hochzeitspaar, Aufnahme aus der Filiale in Stein am Rhein, um 1929
(Privatsammlung, Diessenhofen)

Alte Stadtmauer mit Graben, 13 x 18 cm, 1929 oder davor.
  Abb. in: «Diessenhofen und das ehemalige Kloster St. Katharinenthal» [7].
 (Digital bearbeitetes Negativ aus der Sammlung der Stadt Diessenhofen)

Alte Giebel an der Rheinhalde, 13 x 18 cm, 1929 oder davor.
Abb. in: «Diessenhofen und das ehemalige Kloster St. Katharinenthal» [7].
 (Digital bearbeitetes Negativ aus der Sammlung der Stadt Diessenhofen)

Diessenhofen, untere Stadtmauer, Ansichtskarte, um 1930
(Photobibliothek.ch 3558)

Diessenhofen, Hintergasse, Ansichtskarte, um 1930
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)


Edmondo Dobrzanski (1914-1997)

Edmondo, der Sohn von Stanislaw Dobrzanski, besuchte 1922-1929 die Schule in Lugano und 1929-1934 in Diessenhofen und Stein am Rhein. Er wurde im Atelier seines Vaters zum Photographen ausgebildet. 1936-1942 studierte er in Mailand Kunst, und von 1942-1950 arbeitete er in Zürich als Illustrator für das «Volksrecht». Ab 1950 lebte er im Tessin, zunächst in Bellinzona, später in der Gegend von Lugano, wo er ein Atelier in der Spinnerei von Cassarate hatte. Als Künstler vereinte er expressionistische Themen mit dem Stil des Informel. (Historisches Lexikon der Schweiz [2])

Als Edmondo um 1949/1950 beschloss, nach Bellinzona ins Tessin zu ziehen, um dort als Künstler zu arbeiten, war er offenbar auch als Photograph tätig. Dies beweist eine Ansichtskarte von Grono (nördlich von Bellinzona im Misox), die er selbst photographiert hatte und von der er am 23.8.1949 eine Auflage von 700 Sück herstellen liess.

Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof S. Abbondio in Montagnola bei Lugano, wo auch Hermann Hesse (1877-1962), Hugo Ball (1886-1927), Emmy Hennings (1885-1948), Bruno Walter (1876-1962) und Gunter Böhmer (1911-1986) begraben sind.

Ansichtskarte von Grono, auf der Edmondo Dobrzanski als Photograph genannt wird, und von der er am 23.8.1949 eine Auflage von 700 Sück herstellen liess
(Sammlung Dieter Fey, Schaffhausen)

Das Grab von Edmondo Dobrzanski auf dem Friedhof in Montagnola

Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Grabes von Hermann Hesse, welches im Hintergrund an der quaderförmigen Steinsitzbank erkennbar ist
(Photos 2011)


Eine Anekdote von Jean Gnädinger

Johann Niklaus (genannt Jean) Gnädinger (1907-1975), Metzgermeister und Wirt aus Diessenhofen, erzählt in Latschari-Platz [3] eine sehr schöne Anekdote, die er wohl von seinem Vater Johann Sebastian Gnädinger (1872-1942) hatte:

«Stanislaus Dobrzanski (Zeitgenosse meiner Eltern), politischer Emigrant aus Polen, betätigte sich in Diessenhofen als Photograph. Im Haus "zur Höll", nordöstlich vom Rathaus, hatte er Wohnung und Atelier. Der Beruf war damals noch ziemlich selten. Deshalb kamen viele Hochzeits-Gesellschaften nach Diessenhofen, um sich hier ein Andenken von diesem grossen Tage machen zu lassen. Dies brachte auch unserer Wirtschaft, dem "Lamm", ziemlich viele Gäste, zumal bei uns auch Pferde eingestellt werden konnten. Einmal liess der Männerchor Stein am Rhein ein Vereinsphoto hier machen. Um sicher zu gehen, wurden von ihm gleich zwei Platten belichtet. Herr Doberzanski vergass jedoch bei der zweiten Aufnahme die Platte zu wechseln. Als er später gefragt wurde, wie die Aufnahme gelungen sei, antwortete er: "Ach, alle Mann zwei Kopf...!?"»

Wahrscheinlich irrt hier Gnädinger: Es handelt sich wohl nicht um Stanislaw (auf Deutsch Stanislaus), sondern um dessen Vater Boleslas Dobrzanski senior. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der in Diessenhofen geborene Stanislaw auch in der zweiten Generation noch immer wie ein polnischer Einwanderer Deutsch sprach; zudem hatte Stanislaw sein Atelier nie im Haus «zur Höll», aber natürlich sein Vater!


Referenzen

[1] Dieter Fey / Simon Netzle: Diessenhofen in Ansichtskarten. Diessenhofen, 2007.

[2] >>> Historisches Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/

[3] >>> Latschari-Platz: http://www.latschariplatz.com/

[4] >>> fotoCH: http://www.foto-ch.ch/

[5] >>> Sammlung Osric Boland, Neuhausen: http://photohistory.ch/

[6] Hermann Steiner: Der Kanton Zug und seine Fotografen 1850-2000. Rotkreuz: Zürcher Druck + Verlag AG, 2000. (S. 27-29 über die Dobrzanskis.)

[7] Orts- & Verkehrsverein Diessenhofen (Hrsg.): Diessenhofen und das ehemalige Kloster St. Katharinenthal. Diessenhofen, 1929.

[8] Adolf Eichenberger: Erinnerungen. Die Stadt Diessenhofen, wie sie sich kurz nach der Jahrhundertwende präsentierte. Zusammengestellt von Erich Milz. (Wurde im «Anzeiger am Rhein» in XV Folgen vom 26. August bis 21. Oktober 1977 publiziert.)

[9] >>> Sammlung Stephan Keller, Zürich: http://www.fotovisit.ch

[10] Amt für Denkmalpflege: Hinweisinventar zur Rathausgasse 20 in Diessenhofen.

[11] Markus Schürpf: Zug im Bild. Streifzug durch 150 Jahre Zuger Photographiegeschichte. In: Tugium 28/2012, S. 83-128.

[12] Hans Rudolf Gabathuler und Jan Zielinski: Dynastia Dobrzanskich, fotografow w Szwajcarii [Dynastie Dobrzanski, Photographen in der Schweiz]. Anlässlich der Tagung: Fotoesej - Testowanie granic gatunku; Uniwersytet Kardynala Stefana Wyszynskiego w Warszawie; 18. marca 2016.

[13] Fotoesej. Testowanie granic gatunku. Pod redakcja Brygidy Pawlowskiej-Jadrzyk i Marcina Jewdokimowa. Warszawa: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Kardynala Stefana Wyszynskiego 2016. – S. 97-122: Hans Rudolf Gabathuler und Jan Zielinski: Dynastia Dobrzanskich, fotografow w Szwajcarii.


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