HomeBibliothekBücherBilderObjekteThemen

 

     

Ausstellung in Amsterdam, 1950  

Geschichte 
Illustrationsverfahren 
Diessenhofen 
Niépce und Daguerre 
Personen 
Institutionen 
Bücher 
Zeitschriften 
Bilder 
Film 
Objekte 
Übrige Themen 

 

 

Fred Schneckenburger – Plakatsammler

Wie der schwarze Ordner, der ursprünglich die Preisliste der SIA Schweizer Schmirgel- & Schleifindustrie AG in Frauenfeld enthielt, anfangs der 90er Jahre in die Bibliothek kam, ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Der Inhalt ist jedenfalls sehr interessant: Der Ordner enthät Zeitungsberichte und Originalphotographien von Plakatausstellungen eines gewissen Fred Schneckenburgers, die in in den Jahren 1941 bis 1951 stattfanden.

Wer Fred Schneckenburger war, wurde beim Studium der einschlägigen Plakat-Literatur (z.B. [1]) schnell klar: Er trug eine Plakatsammlung von 15'000 Plakaten zusammen, die er 1955 dem Kunstgewerbemuseum Zürich für 50'000 Franken verkaufte.

Dank Internet wurde es dann später möglich, noch weitere Quellen ausfindig zu machen [2] [3] [4]. Sogar ein Porträt Schneckenburgers als Puppenspieler wurde gefunden, das 1951 im «Spiegel» veröffentlicht worden war.

Fred Schneckenburger wurde am 31. Januar 1902 in Schaffhausen geboren. Nachdem er von Gymnasium geflogen war, reiste er als Sekretär und Bühnenarbeiter mit Alexander Tairovs Kammertheater durch Russland. Dort lernte er den Regisseur Vladimir Sokolov kennen, der durch sein avantgardistisches Marionettentheater berühmt wurde. Ab 1943 entwickelte Schneckenburger sein eigenes surreales Puppentheater. Damit gastierte er 1951 in Deutschland. Der «Spiegel» berichtete ausführlich darüber [2]:

«Kay Lorentz, Düsseldorfs rotbärtiger Kommödchenchef, gab seine Miniaturbühne für das "bedeutendste Gastspiel im deutschen Nachkriegskabarett" frei. Mit Magnetofon-Bandaufnahmegerät und einem Koffer voll Holz- und Drahtfiguren kam Fred Schneckenburger aus Zürich angereist, um sein "Schweizer Puppencabaret" hinter himmelblauen Kulissen zu etablieren. Als Schneckenburger sein Programm, mit dem er jetzt in Deutschland debütiert, auf dem Fernsehschirm in Londons Television-Station abrollen liess, nannten ihn die Fachkritiker des "The Puppet Master" einen "Wegweiser für das in die Sackgasse geratene Puppenspiel Englands". Und bei seinem Gastspiel in Amsterdam inspirierte er die Schaufensterdekorateure zu Modepuppen à la Schneckenburger: Drahthände, die eine Zigarette halten, aufgesetzte Stilaugen, überdimensionale Glanzpapier-Lippen. So nämlich, mit Anklängen an Picasso, komponiert Schneckenburger seine Handpuppen. "Wenn die Leute was vom Puppenspiel hören, denken sie immer gleich an Kasperletheater. Deshalb sind sie zunächst schockiert, wenn sie zu mir kommen."»

Da mit Kunst bekanntlich wenig zu verdienen ist, verband Schneckenburger seinen Brotberuf – er war Direktor der SIA in Frauenfeld (was die Herkunft des seltsamen Ordners erklärt) – erfolgreich mit seiner künstlerischen Tätigkeit als Direktor des Pupentheaters. Aber damit nicht genug: gewissermassen nebenher, baute er auch noch den Grundstock einer Plakatsammlung auf, die heute weltweit als die bedeutendste Sammlung ihrer Art gilt.

Schneckenburger war auch ein aktives Mitglied der Schwulenorganisation «Der Kreis». Er starb am 16. September 1966 in Zürich. Seine Puppen werden im Museum Bellerive Zürich verwahrt. 1991/92 wurde die Ausstellung «Fred Schneckenburgers Puppencabaret, 1947-1966» im Münchner Stadtmuseum und im Museum Bellerive Zürich gezeigt [4].


Der SIA-Ordner

Preisliste, SIA Schweizer Schmirgel- und Schleifindustrie AG, Frauenfeld. [Material zu Ausstellungen der Plakatsammlung von Fred SCHNECKENBURGER von 1941 bis 1951.] 1941-1951. – 4°. 33 Cellophanhüllen mit 38 Originalphotos seltener Plakate, 41 Zeitungsausrisse, 4 Einladungskarten zu Ausstellungseröffnungen usw. Schwarzer Ringordner.

Ausstellungen und Verkauf der Sammlung:
1941: «Schweizer Plakatkunst», Kunstmuseum Luzern
1942: «Das Plakat im 19. Jahrhundert», Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen
1944: «Das politische Plakat im Wandel der Zeiten», Arbeiterkulturwoche Zürich, Volkshaus Zürich
1949: «Das Plakat als Zeitspiegel», Helmhaus Zürich
1950: «Het affiche als beeld van de tijd», Stedelijke Museum te Amsterdam
1951: «Plakate im Spiegel der Zeit», Druck und Papier (Drupa), Düsseldorfer Kunstmuseum
1955: Verkauf der Plakatsammlung von 15'000 Plakaten an das Kunstgewerbemuseum Zürich für 50'000 Franken (heute eine der weltweit bedeutendsten Plakat-Sammlungen).

Ref.: Rotzler, Das Plakat in der Schweiz, 1991, S. 271.

Photobibliothek.ch 1443

 

 

 


«Schweizer Plakatkunst» – Kunstmuseum Luzern

16. März bis 6. April 1941

Einladungskarte der Kunstgesellschaft Luzern zur Ausstellungseröffnung (aus dem SIA-Ordner)

———

«Die Woche im Bild», 27. April 1941 (aus dem SIA-Ordner)


«Das Plakat im 19. Jahrhundert» – Allerheiligen, Schaffhausen

11. bis 28. Januar 1942

Nur diese Einladungskarte des Kunstvereins Schaffhausen zur Ausstellungseröffnung ist erhalten (aus dem SIA-Ordner)


«Das politische Plakat im Wandel der Zeiten» – Volkshaus ZH

12. bis 29. März 1944

Ausstellungskatalog

Das politische Plakat im Wandel der Zeiten. Ausstellung im Rahmen der Arbeiterkulturwoche Zürich 12. bis 29. März 1944. / Fred SCHNECKENBURGER. – Zürich: Genossenschaftsdruckerei 1944. – 8°. 8 S. mit Abb. Br.

Dritte grosse Ausstellung der Plakatsammlung Schneckenburger im Volkshaus Zürich.

Photobibliothek.ch 12165


«Das Plakat als Zeitspiegel» – Helmhaus Zürich

24. Januar bis 28. Februar 1949

Einladung des Zürcher Stadtpräsidenten zur Ausstellungseröffnung
(aus dem SIA-Ordner)

———

Photos der Ausstellung von Michael Wolgensinger

[Ausstellung der Sammlung Fred SCHNECKENBURGER «Das Plakat als Zeitsiegel» im Helmhaus, Zürich, 24. Januar bis 28. Februar 1949]. 5 Gelatine-Silber-Prints ca. 18 x 24 cm. / M[ichael] Wolgensinger. – Rückseite (roter Stempel): "Copyright by M. Wolgensinger, Zürich".

Seltene Dokumente zur legendären Ausstellung von 900 Plakten der Sammlung Schneckenburger im Helmhaus Zürich.

Photobibliothek.ch 1502


«Het affiche als beeld van de tijd» – Stedelijk Amsterdam

13. Oktober bis 27. November 1950

Einladungskarte zur Ausstellungseröffnung (aus dem SIA-Ordner)

———

Ausstellungsführer aus Schmirgelpapier

Het affiche, beeld van de tijde. Tentoonstelling uit de collectie Fred SCHNECKENBURGER in het Stedelijk Museum te Amsterdam van 13 Oct. - 27 Nov. 1950. / De tentonstelling wed naar het ontwerp van [Warja] Honegger-Lavater ingericht door Fred Schneckenburger en Paula Augustin – Amsterdam: Druk J. F. Duwaer & Zonen 1950. – 4°. 4 S. Schmirgelpapierbogen 70 x 50 cm einmal gefaltet (ergibt 4 Seiten 50 x 35 cm).

Sehr eigenwilliger Ausstellungsführer zur letzten grossen Ausstellung der Plakatsammlung Schneckenburger aus Schmirgelpapier! «Het papier is schuurpapier van de SIA Schweizer Schmirgel- & Schleif-Industrie A.G. Frauenfeld Zwitserland ter beschikking gesteld.» (Schneckenburger war Direktor der SIA Frauenfeld.) - Warja Honegger-Lavater (1913-2007) war eine Schweizer Grafikerin, Tochter der Schriftstellerin Mary Lavater-Sloman, verheiratet mit dem Maler Gottfried Honegger. Paula Augustin war Kuratorin für angewandte Kunst im Stedelijk Museum. Frans Duwaer (1911-1944) war ein bekannter holländischer Widerstandskämpfer, der während der nationalsozialistischen Besetzung durch falsche Papiere vielen Leuten das Leben rettete; er wurde 1944 durch die Nazis erschossen.

Ref.: Wiedler #267.

Photobibliothek.ch 12166

———

Photos der Ausstellung (Copyright Gemeente Musea Amsterdam)

[Ausstellung d. Sammlung Fred SCHNECKENBURGER «Het affiche als beeld van de tijde», Stedelijke Museum te Amsterdam, 1950. 10 Gelatine-Silber-Prints ca. 18 x 24 cm (3) und 20 x 25 cm (7). / Gemeente Musea Amsterdam. – 2 Bilder auf der Rückseite gestempelt: "Copyright Gemeente Musea Amsterdam".

Die Ausstellung «Das Plakat als Zeitspiegel» (Helmhaus Zürich, 1949) wurde ein Jahr später auch in Amsterdam gezeigt. Im Gegensatz zur «braven» Hängung der Zürcher Ausstellung war die Amsterdamer-Ausstellung viel phantasievoller: die Plakate hängen an Gittern, Leinen und Litfassäulen oder liegen auf dem Boden.

Photobibliothek.ch 1503

 


«Plakate im Spiegel der Zeit» – Düsseldorfer Kunstmuseum

5. Mai bis 17. Juni 1951

 

 «Der Mittag» 12./13. Mai 1951 (aus dem SIA-Ordner)

———

Ausstellungskatalog (späterer Ankauf)

Plakate im Spiegel der Zeit. / Sammlung [Fred] SCHNECKENBURGER, Frauenfeld (Schweiz). – Düsseldorf: Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf 6. Mai bis 17. Juni 1951. – 8°. 38 S. mit 638 Titeln [davon 24 mit Abbildung]. Broschur illustriert.

Photobibliothek.ch 15821


Literatur

[1] Willy Rotzler, Fritz Schärer, Karl Wobmann: Das Plakat in der Schweiz. Mit 376 Kurzbiographien von Plakatgestalterinnen und Plakatgestaltern. Zürich, Ex Libris 1991.

[2] Abstaktion: Fussball mit Armen und Beinen. In: Der Spiegel, 2. Mai 1951.

[3] Silke Technau: Fred Schneckenburger. In: Das andere Theater, Heft 72, 19. Jahrgang, 2009.

[4] Hana Ribi: Fred Schneckenburgers Puppencabaret (1947-1966). Münchner Stadtmuseum, 1991/1992, Museum Bellerive 1992.


Nach oben